Die Feierlichkeiten zur 50-Jahre Eingemeindungsfeier sind Geschichte und schon erreicht die nächste freudige Nachricht die Bolheimer Gemeinde.
Die Stadt Herbrechtingen lässt den Bau einer Windenergieanlage auf der Gemarkung Bolheim prüfen.
Aus der Presse konnte man entnehmen, dass der Standort nord-östlich des Ugenhofs geplant sei, doch nach umgehender Recherche stellte sich heraus, der Standort für die Windenergieanlage befindet sich im nord-westlichen gelegenen Schönbühl.
Was könnten die Beweggründe für einen Gemeinderat sein, ausgerechnet auf dieser Fläche von knapp 100 ha, eine WEA zu errichten?
In diesem Beitrag soll nun sicherlich nicht eine Diskussion PRO oder CONTRA Windkraft sowie erneuerbare Energien entfacht, sondern lediglich die Punkte für eine geeignete und sinnvolle Standortwahl angesprochen werden.
Bei allen kommunalen WEA-Projekten stehen die Argumente für Energiewende und Klimawandel im Vordergrund, auch im Herbrechtinger Gemeinderat finden sich diese Punkte auf der Liste, diese wurde sogar um den Ukraine-Krieg und Engpässe bei Gaslieferungen erweitert.
Da darf es bei anstehenden Diskussionen sicherlich keinen „Gegenwind“ aus der Bevölkerung geben, denn wer dieses WEA Projekt nicht befürwortet, ist automatisch gegen erneuerbare Energien und leugnet den Klimawandel.
Doch so einfach ist es nicht, zumal das Herbrechtinger Rathaus bis heute, nicht gerade eine führende Rolle im Bereich Natur- und Umweltschutz eingenommen hat.
Die Glaubwürdigkeit in punkto Natur-, Umwelt- und Klimaschutz steht weiterhin im Raum und so wird es sicherlich andere Bewegründe für Errichtung einer WEA geben.
Auch für Herbrechtingen heißt es nun verpflichtend – Abkehr von fossilen Energien und Ausbau von Erneuerbaren Energien.
Pro Regionalverbandsgebiet sollen mindestens 2% Fläche für PV- und Windenergieanlage bereitgestellt werden.
Der Bolheimer Wald gehört mit seinen zusammenhängenden Waldflächen zu den größten Waldgebieten im Landkreis und hat seit einem halben Jahrhundert, stets die finanziellen Begehrlichkeiten der Stadt Herbrechtingen geweckt.
Auf dieser Gemarkung befindet sich nicht nur kommunaler Wald, sondern auch ein wesentlicher Part in Form von Staatswald.
Seit der Forstreform 01.01.2020 und der damit einhergehenden Neuorganisation der Forstbezirke, ging der Staatswald auf der Bolheimer Gemarkung in den Verantwortungsbereich des Forstbezirks Ulmer Alb über.
Hatte man zuvor noch Abstimmungsmöglichkeiten mit den „Heidenheimern“, so wachsen nun die Befürchtungen in Herbrechtingen, dass zuerst im Staatsforst (ForstBW) die Errichtung von Windenergieanlagen vorgesehen könnte und die Pachteinnahmen somit dem Land und nicht mehr Herbrechtingen zugutekommen.
Das erklärte Ziel dürfte sein, entsprechende Markungsfläche zu sichern um die Chancen zur Realisierung von WEA-Projekten zu ermöglichen.
Die Hoffnung liegt nahe, dass mit der Standortwahl im Schönbühl, die Akzeptanz der Herbrechtinger Bürger leichter zu gewinnen ist.
Auf Höhe der Brenztal-Sohle, dürfte die Anlage das Landschaftsbild nicht zu sehr beinträchtigen und die Einwohner auch nicht sehr belasten, anders sieht es auf den höher, gelegenen Wohngebiete aus.
Da dürfte der Blick auf die WEA auch von Herbrechtingen aus, so manchem Einwohner Sorgen bereiten.
Sollte es mit der Akzeptanz der Bürgerschaft nicht so wie gewünscht funktionieren, so gibt es für diesen Fall den Klassiker.
Ein “Bürgerwindrad“
Hierzu braucht es kein ausgeprägtes Umweltbewusstsein, es genügt die Gier nach einem lukrativen Investitionsmodell und schon hat man einige Bürger mit im Boot.
Doch die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigte, dass kaum ein Bürgerwindrad die erhofften Gewinne, auch nur annähernd, erwirtschaftet hat.
Für die Höfe im näheren Umfeld zum Schönbühl ergeben sich deutlich nähere Abstände zur geplanten WEA
Ugenhof – 1,0 km
Buchhof – 2,0 km
Rüblinger Höfe – 2,5 km
Bei der im neu aufgelegten BaWü Windatlas ausgewiesenen Windhöffigkeit für den Bolheimer Schönbühl, müsste die Nabenhöhe mindestens 160 m betragen, da sich die Anlage sonst nicht annähernd wirtschaftlich betreiben lässt.
Mit einem Rotordurchmesser von 160 m ergibt sich eine Gesamthöhe von ca. 240 m.
Der WEA-Standort stellt den westlichsten Punkt der Bolheimer Gemarkung dar und befindet sich in einem der letzten unverbauten und zusammenhängenden Waldflächen des Landkreis Heidenheim.
Für die Stadt Herbrechtingen sind die 8,0 km bis zum Schönbühl eine entspannte Distanz, für angrenzende Gemeinden würde die WEA sicherlich zum neuen und freudigen Herbrechtinger Wahrzeichen werden.
OpenTopoMap ist eine freie, topografische Karte, basierend auf Daten von OpenStreetMap Mitwirkende
Mit der Planung im Schönbühl hat man aus Sicht der mittleren gekappten Windleistungsdichte keinen wirtschaftlich interessanten Standort gewählt.
Nicht ohne Grund wurden in diesem Bereich noch keine Windenergieanlagen aufgestellt.
Unterhalb einer Nabenhöhe von 160 m würden seriöse Anlagenbetreiber, bei der vorherrschenden Windhöffigkeit im Schönbühl, nicht einmal einen Gedanken in punkto Panungen verschwenden.
Trotz aktuellen Klima- und Energiediskussionen, genügt es einfach nicht nur über eine Waldfläche zu verfügen, es müssen auch die Rahmenbedingungen passen oder noch einfacher gesagt – es muss dort auch „Kacheln“ (Schwäbischer Kiter-Jargon für: ordentlich Wind)
Auf Basis des in 2019 neu aufgelegten Windatlas für BaWü, dürfte bei wohlwollender Annahme für die Gemarkung Schönbühl, eine durchschnittliche Windgeschwindigkeit von 5,0 bis 5,5 m/s erreicht werden.
Je nach WEA-Fabrikat wäre eine Jahresenergieleistung im untersten Leistungsbereich zu erwarten.
Effiziente Windenergieanlagen arbeiten erst wirtschaftlich sinnvoll ab einer mittleren gekappten Windleistungsdichte von 310 – 375 W/m²
Dieser Wert entspricht einer mittleren Jahreswindgeschwindigkeit von etwa 6,5 – 7,0 m/s in 160 m über Grund.
WEA Leistung bei 160 m Nabenhöhe - Leistungsangabe in MWh / Jahr
No Data Found
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Es liegt einfach in der Natur der Dinge, dass sich die lukrative Windleistungsdichte direkt am westlichen gelegenen Albtrauf befindet und ab der Linie Gerstetten/Steinheim wieder deutlich abnimmt.
Erst auf Höhe der A7 zwischen Eselsburg und Bissingen, nimmt die mittlere Windgeschwindigkeit wieder zu und baut sich in Richtung Donauried (Öllingen, Rammingen, Niederstotzingen) stetig auf.
Es ist nicht immer die Höhenlage, welche über Wind oder nicht Wind entscheidet, sonder oftmals die geografische Situation (Geländeverlauf etc.).
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Hier befinden wir uns wieder in diesem typisch deutschen Dilemma, viele Kommunen möchten und müssen bei der Energiewende mitwirken, doch wenn die Standorte für WEAs einfach nicht passen, hilft es in der Summe nicht weiter, wenn sich plötzlich viele Kommunen auf einzelne und unwirtschaftliche WEA-Projekte konzentrieren und dabei den Blick für effektive Ziele und passende Energiequellen verlieren.
Die WEAs sollten nur an geeigneten Standorten realisiert und idealerweise gleich in größerer Anzahl in Form von Windparks geplant werden.
Vor einigen Jahren waren seitens Herbrechtingen die Planungen für WEAs bereits weit fortgeschritten.
Die Standorte befanden sich auch windhöffigen Bereich wie z.B. Raum Eselsburg und Bissingen. Die Planungen wurden mit Unterstützung von Stuttgartern Ministern forciert, da sich bereits einige Bürger für den Erhalt kleinerer Waldflächen ausgesprochen hatten.
Seitens der Stuttgarter Regierungsvertreter kamen so sinnige Aussagen wie z.B.: Vor 30.000 Jahren gab es hier auch keine Bäume.
Gut diese Diskussion hatte sich 2017 schnell erledigt, da die UNESCO die Vergabe des Siegels Weltkulturerbe Höhlen & Eiszeitkunst, davon abhängig gemacht hatte, dass in der näheren Umgebung keine Windenergieanlagen errichtet, werden dürfen.
Verantwortliche aus Herbrechtingen, Gerstetten und Stuttgart wussten plötzlich nichts mehr von geplanten WEAs und so wurde mit aller Macht der Eventpark Eiszeitkunst im Lonetal umgesetzt.
Diese windintensiven Standorte existieren weiterhin und die Frage sollte erlaubt sein:
Warum plant man in Herbrechtingen die WEAs nicht dort, wo der Anlagenbetrieb auch einen wirtschaftlichen Erfolg verspricht und der Wind auch stetiger weht – der BaWü-Windatlas stellt hierzu eine wertvolle Datenbasis bereit.
Zum Glück haben wir da noch den Teilort Bolheim mit seinem weit entfernten Schönbühl.
Auch wenn die ausgewiesene Windleistungsdichte nicht die erforderlichen Energieleistungen liefern dürfte, so hat dies auch Herbrechtinger Sicht nicht unbedingt die oberste Priorität.
Man möchte schließlich nur die regelmäßigen Pachterträge generieren und nicht zwingend zu ausreichenden Energieleistungen beitragen.
Werden die prognostizierten Leistungen und Einnahmen nicht erreicht, so wird sehr schnell die Frage nach weiteren WEAs im Raum stehen.
Auch wenn die Markung Schönbühl über fast 100 ha Fläche verfügt, so ist der Standort für mehrere Anlage ungeeignet, da die schmale, längliche Fläche genau in West-Ost Richtung (Hauptwindrichtung) liegt.
Hierbei würden sich die Anlagen gegenseitig die Windleistung nehmen und nicht annähernd die beworbene Herstellerleistung erreichen.
Final kommen bei unzureichender Energieleistung sicherlich erste Klagen auf die Kommune zu. Mit aufwendigen Gutachten und nachträglich aufgestellten Messanlagen startet die Prozesswelle.
Doch kein Grund zu Sorge, diese Kosten trägt anstandslos die Bürgerschaft bzw. man erhöht die Hebesätze oder andere kommunale Abgaben. Glücklicherweise sind die Pachteinnahmen vertraglich gesichert und man kann sich weiterhin gegenseitig auf die Schultern klopfen, in der beruhigenden Gewissheit, Herbrechtingen hat jetzt auch ein Windrädle.